Seit ihrer Einführung im Jahr 2011 ebbt die Kritik an den Lehrmittel Mille feuilles und Clin d’oeil nicht ab. Im Auftrag von BERNbilingue hat das Institut für Mehrsprachigkeit Freiburg vier Studien und neun Berichte ausfindig gemacht und analysiert. Damit liegt erstmals ein öffentliches Dokument vor, dass die gesammelten Erkenntnisse zusammenfasst. Der Befund bestätigt leider die Befürchtungen. Darum fordert BERNbilingue Massnahmen, um der Bedeutung des Französischunterrichts – gerade im Kanton Bern – gerecht zu werden. Die Bemühungen um Nachbesserungen an den kritisierten Lehrmitteln sind abzubrechen und stattdessen das Wahlobligatorium bei den Lehrmitteln ab Sommer 2020 auch im Kanton Bern einzuführen. Weiter ist der Passepartout-Lehrplan endlich an den Lernplan 21 anzupassen. Sodann soll der Auftrag von Regierungsrätin Christine Häsler an die Arbeitsgruppe «Französisch in der Schule» veröffentlicht werden. Schliesslich ist einerseits, um der Nachfrage gerecht zu werden, das bilinguale Unterrichtsangebot im Kanton Bern auszubauen, sowie anderseits der Schulaustausch mit der Westschweiz zu fördern.
 
Welche Erkenntnisse liegen aktuell zum schulischen Französischunterricht mit den Lehrmitteln Mille feuilles und Clin d’oeil in der Passepartout-Region (Aargau, Bern, Basel-Stadt, Basel-Land, Solothurn, Wallis) vor? Das Institut für Mehrsprachigkeit Freiburg hat im Auftrag von BERNbilingue Ergebnisse aus den einschlägigen wissenschaftlichen Studien systematisch zusammengetragen (Hier geht es zum Bericht). Ein wichtiger Befund betrifft die Sprachkompetenzen am Ende der Primarschule: Die von der EDK festgelegten Grundkompetenzen, die von allen Schülerinnen und Schülern zu erreichen sind, werden weder im Hör- noch im Leseverstehen erreicht (87 % resp. 62 %). Die höher angesetzten Lernziele des Passepartout-Lehrplans werden von deutlich weniger Schüler und Schülerinnen erreicht (Hören 57 %, Lesen 33 %). Beim Sprechen erreicht in beiden Fällen nur eine kleine Minderheit die Lernziele (Grundkompetenzen 42.5 %; höhere Passepartout-Lernziele 11 %). Die Schreib-Kompetenzen wurden bisher erst gar nicht erhoben. Die Einschätzung des Lehrwerks Mille feuilles durch die Beteiligten fällt durchmischt aus.
 
Fakt ist also, dass selbst die Grundkompetenzen am Ende der Primarschule nur teilweise erreicht werden. Das ist klar ungenügend und zeigt, dass die gesetzten Ziele mit den Passepartouts-Lehrmitteln nicht erreichbar sind. Mindestens die Grundkompetenzen des Lehrplan 21 müssten von allen Schülerinnen und Schülern erreicht werden.
 
Für die Misere gibt es verschiedene Gründe. Dazu gehört die mangelhafte Gewichtung der produktiven Sprachkompetenzen. Das Konzept der «Immersion» kann im Rahmen des ordentlichen Schulunterrichtes nicht das systematische Wortschatzarbeiten ersetzen. Wortschatz und Sprachstruktur lernt man nicht «en passant».
 
Nicht nur das Lehrmittel «Mille feuilles / Clin d’oeil», sondern auch der zugrundeliegende Passepartout-Lehrplan sind grundsätzlich in Frage zu stellen. Hör- und Leseverstehen, Schreiben sowie Sprechen werden zwar im Passepartout-Lehrplan als Kompetenzbereiche erwähnt, für die zu überprüfenden Kompetenzen werden allerdings keine Kriterien formuliert. Das ist zum einen eine grobe, nicht erklärbare Unterlassung. Wie soll eine Zielerreichung kontrolliert werden, wenn keine Kriterien formuliert sind? Und dazu ist auch die Kompatibilität mit dem Lehrplan 21, bei dem diese formuliert sind, nicht gegeben.
 
BERNbilingue stellt aufgrund dieser Befunde fest, dass ein neuer Anlauf erforderlich ist, um die Ziele im Französisch als Fremdsprache zu erreichen. Dafür stellt BERNbilingue folgende Forderungen an die Erziehungsdirektion des Kantons Bern, aber auch an die Bildungsdirektoren aller Passepartout-Kantone, auf:
 

  1. Die Zeit der Experimente ist vorbei. Es darf nicht mehr weiter zugewartet werden, ob neue oder bereits erfolgte Nachbesserungen der Lehrmittel «Mille feuilles / Clin d’oeil» Verbesserung bringen. Vielmehr ist der Abbruch weiterer Nachbesserungen angezeigt.
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  3. Das bestehende Pflichtobligatorium für die Verwendung von «Mille feuilles/Clin d’oeil» in der Schulstunde muss ab Sommer 2020 aufgehoben werden und stattdessen mindestens ein zusätzliches, taugliches und damit alternatives Französischlehrmittel zugelassen werden (Wahlobligatorium).
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  5. Der Passepartout-Lehrplan ist dem Lehrplan 21 anzupassen. Diese Arbeiten sollen sofort zusammen von allen Passepartout-Kantonen eingeleitet werden.
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  7. Auftrag, Mitglieder und Zeitplan der von der Erziehungsdirektion des Kantons Bern zurecht eingesetzten Arbeitsgruppe sind öffentlich zu machen. Sie ist mit unabhängigen Expertinnen und Experten zu ergänzen.
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  9. Generell muss der Französischunterricht gestärkt werden. Die Nachfrage nach zweisprachigem Unterricht soll erhoben und das Angebot konsequent danach ausgerichtet werden, was zur entsprechenden Anpassung der Anzahl bilingualen Klassen an die Nachfrage führt. Sodann soll der Schüleraustausch mit der Romandie ausgebaut werden.

 
Der Kanton Bern ist zweisprachig und sollte ohne Abstriche die Ambition verfolgen, dass die Kinder die Schule mit überdurchschnittlichen Kenntnissen der zweiten Sprache verlassen und dass sie dank Austausch auch die Kultur des zweiten Sprachraums kennenlernen. BERNbilingue ist enttäuscht vom gegenwärtigen Zustand des Französischunterrichts, macht aber klare Verbesserungsmöglichkeiten ausfindig. Unser Kanton hat es in der Hand, aus Fehlern zu lernen und die Zukunft mitzugestalten.
 
Kontakt:

Alexandre Schmidt, Präsident BERNbilingue, +41 79 652 76 79,
schmidt.alexandre@bluewin.ch

Samuel Krähenbühl, Vorstandsmitglied BERNbilingue, Arbeitsgruppe Bildung, +41 79 818 77 69,
samuel-kr@bluewin.ch