Wie lebt der Kanton Bern seine Zweisprachigkeit?

Nebeneinander: Der Bahnhof SBB in Bern ist der zweitgrösste der Schweiz. Stündlich treffen mehrere Züge aus der Westschweiz ein und täglich steigen Tessinerinnen und Rätoromanen
in der Hauptstadt aus. Doch wie werden unsere Miteidgenossen empfangen? Die vier Landessprachen sind im Bahnhof wie auch in den Strassen zum Bundesplatz kaum sichtbar. Immerhin ist der Bundesplatz viersprachig angeschrieben.

Miteinander: Die zwanzig grössten Arbeitgeber in unserem Kanton sind mit Ausnahme der Stadt Bern und des Spitals Thun allesamt zweisprachig aufgestellt. Sei es die öffentliche Hand (Kanton Bern, Bundesverwaltung), Spitäler (Insel, Lindenhof), Staatsunternehmen (Post, SBB, Swisscom, RUAG) oder die Privatwirtschaft (Coop, Migros, Swatch, Rolex, BKW): Unsere Arbeitgeber pflegen die Sprachenvielfalt. Dies sind nur zwei Beispiele, doch das Begriffspaar «Neben- und Miteinander» fällt mir ständig ein, wenn ich an die Zweisprachigkeit in unserem Kanton denke. Vielfach leben wir aneinander vorbei und die Sprachen kreuzen sich nicht wirklich. Nur Biel/Bienne und Leubringen/Evilard sind durchwegs zweisprachig aufgestellt. Andernorts ist die zweite Sprache selten im Ortsbild präsent. Der Austausch war auch schon grösser: Sprach- und Ausbildungsaufenthalte im anderen Sprachgebiet sind weniger in Mode als früher (Au Pair, Armeeeinsatz oder Welschlandjahr für Landwirte). Schlimmer: Teile der Bevölkerung neigen zum «only english» – ganz augenfällig an der Universität. Französischsprachige verlassen die Stadtregion Bern oftmals, weil für ihre Kinder keine optimale Schulausbildung auf Französisch angeboten wird. Die Koexistenz mehrerer Sprachen ist aber grundlegend für die Schweizer Eigenheit. Das Erfolgsgeheimnis der Schweiz ist es ja gerade, Unterschiede zu anerkennen und nicht zu unterdrücken; also Kompromisse zu formen. Niemand weiss dies besser als wir Bernerinnen und Berner, für die die Zweisprachigkeit ein Identitätsmerkmal ist, das sein Gewicht in der Eidgenossenschaft beeinflusst. Unsere Zweisprachigkeit ist somit ein Trumpf, über den andere nicht verfügen. Er bedarf aber der Pflege. Mal schauen, welche Ziele sich der Regierungsrat in seinem neuen Legislaturprogrammsetzen wird. Der Einsatz fürs Miteinander lohnt sich.

BERNbilingue setzt seinen Einsatz fort, oftmals zusammen mit Partnern wie das Forum für Zweisprachigkeit. Wir nehmen uns Jahr für Jahr Themen an. Wir danken unseren Mitgliedern für Ihre Unterstützung und Ihre Treue.

Dieser Artikel ist ursprünglich im Bulletin 2022 erschienen.