Bern ist der zweisprachige Kanton par excellence. Die Netzwerke von Bern reichen bis tief in die Westschweiz. Die zweisprachige Identität ist ein Trumpf von grossem Wert und Exklusivität und steuert zur Prosperität unseres Kantons bei. In den letzten Jahren glaubten aber zu viele im Kanton Bern, dass die Zweisprachigkeit einfach passiert, einfach da ist, einfach funktioniert. Allein zwei Nachrichten in den letzten Monaten zeigen, dass auch die Zweisprachigkeit Pflege und Unterstützung braucht. Einerseits hat der kürzlich veröffentlichte Kantonsvergleich der Sprachfähigkeiten in der Schulausbildung leider gezeigt, dass Bern trotz der herausragenden Ausgangslage bloss einen Mittelfeldplatz belegt und die beiden anderen zweisprachigen Kantone Freiburg und Wallis klar besser abschneiden als der Kanton Bern. Anderseits ist unser Kanton im Bereich des Sprachaustausches der Schülerinnen und Schüler weit von einem Spitzenplatz entfernt. Gerade im wichtigen Bildungsbereich muss der Qualität des Unterrichts in der jeweils anderen Landessprache wieder stärker Beachtung geschenkt werden. Hier sieht BERNbilingue namentlich im Schüleraustausch, bei der Ausbildung der Lehrkräfte sowie bei den Lehrmitteln Verbesserungspotenzial.

Sehr erfreulich ist, dass der Regierungsrat den Handlungsbedarf anerkannt hat und mit einem fast flächendeckenden Massnahmenbündel in einer Vielzahl von Bereichen tätig wird. Herzlichen Glückwunsch! In beispielhafter Manier hat der Regierungsrat eine umfassende Analyse vorgenommen und zieht nun die richtigen Lehren daraus. BERNbilingue ist stolz auf ihre Regierung, denn wohl in keiner Legislatur ist je ein tieferes Bekenntnis zur Zweisprachigkeit ausgedrückt worden wie jetzt!

Gleichwohl macht BERNbilingue noch drei Lücken aus, damit das volle Potenzial der Zweisprachigkeit auch ausgenützt werden kann:

    1. Bern hat auch eine nationale Aufgabe. Denn unser Kanton nimmt die Rolle des Brückenkantons zwischen West- und Deutschschweiz ein. Der Kanton Bern hat mit 5 von 6 welschen Kantonen eine gemeinsame Grenze sowie mit 6 Deutschschweizer Kantonen. Die Debatten über die Abschaffung des frühfranzösischen Unterrichts in vielen Deutschschweizer Kantonen, jedoch kein einziger solcher Vorstoss gegen das Frühdeutsch in welschen Kantonen hat gezeigt, dass das Zusammenleben nicht automatisch funktioniert. BERNbilingue erwartet, dass der Regierungsrat zu seiner gesamtschweizerischen Rolle als Brückenkanton noch vertiefte Überlegungen vornimmt.

 

    1. Die Zweisprachigkeit des Kantons spielt nicht bloss im Berner Jura, der Region um Biel und in einzelnen Nachbargemeinden zur Westschweiz eine Rolle. Die Stadtregion Bern hat als Sitz des Bundes und seiner Verwaltung, des Kantons und der Bundesunternehmen eine Verantwortung und viele Chancen. Die Stadt Bern und die Gemeinden rund um Bern sind herausgefordert, ihre Hausaufgaben zu machen und in die Zweisprachigkeit zu investieren. BERNbilingue fordert, dass die Stadtregion eine analoge Analyse wie der Regierungsrat für den ganzen Kanton vornimmt. Wir haben es hier mit einer Aufgabe zu tun, die nicht an den Stadtgrenzen haltmacht. Die Öffnung einer Antenne des Forums für die Zweisprachigkeit in der Stadtregion würde die Kräfte bündeln und den Erfolg von Massnahmen sichern. In den restlichen Kantonsgemeinden ist zu überlegen, wie der zweiten Sprache mehr Visibilität geschenkt werden kann.

 

  1. Die Zweisprachigkeit lebt von Debatten und ständigen Auseinandersetzungen über sie. Die Verantwortung und die Einbindung des Grossen Rates kommt aber in den regierungsrätlichen Beschlüssen noch zu kurz. BERNbilingue schlägt vor, dass der Regierungsrat dem Grossen Rat inskünftig einmal pro Legislatur einen Bericht über die Entwicklung der Zweisprachigkeit im Kanton Bern unterbreitet. Dies bietet Gewähr, dass jede Generation von Politikern sich mit der Zweisprachigkeit befasst und die nötigen Massnahmen auch fassen kann.

Bern darf nicht zum zweisprachigen Kanton werden, in dem man sich nur dank einer dritten Sprache – dem Englischen – verständigen kann. Der Regierungsrat hat kluge Entscheide gefällt, die noch weiterentwickelt werden können.

Kontakt:

Alexandre Schmidt,
Präsident BERNbilingue, +41 79 652 76 79
schmidt.alexandre@bluewin.ch