Was heisst Röstigraben auf Englisch? Dieser so schweizerische Begriff kennt keine englische Übersetzung! Egal, wie weit das Englische in unserem Land fortgeschritten ist, für das gegenseitige Verständnis wird es immer notwendig sein, andere Landessprachen zu kennen.
Bleiben wir noch beim «Röstigraben» und weiteren spannenden Erkenntnissen. Wie übersetzen wir den Röstigraben ins Französische? Sehr selten buchstäblich durch den fossé. Am häufigsten ist es die barrière de Rösti und manchmal sogar der rideau de Rösti. Ein Graben ist eine Barriere ist ein Vorhang? Deutschsprachige sehen also die Unterschiede in Sprache und Mentalität vor allem als einen (tiefen und schwer zu überwindenden) Graben. Hingegen ist für die Französischsprachigen derselbe Umstand nur eine (leicht überwindbare) Barriere oder sogar bloss ein Vorhang, der jederzeit gezogen werden kann. Diese Subtilitäten zeigen, dass wir unseren Austausch niemals aufs Englische beschränken können.
Nehmen wir ein weiteres Beispiel, diesmal aus der Politik, nämlich die Debatte über den frühfranzösischen Schulunterricht. Etwa zehn deutschsprachige Kantone haben über die Abschaffung des frühen Französischlernens abgestimmt. Und die Westschweiz in dieser Zeit? Es kam keinem einzigen französischsprachigen Kanton in den Sinn, sich vom Deutschlernen zu distanzieren. Der Unterschied in der Sprache hat seine Auswirkungen auch auf die Mentalität: Einen Graben zu überwinden, ist schwierig. Ein Schüler sollte dies nicht zu früh tun. Das Ziehen eines Vorhangs ist dagegen einfach und in jedem Alter möglich.
Diese Beispiele der Unterschiede in Sprache und Mentalität zeigen, dass es Brückenbauer braucht. Dazu zählen wir uns von BERNbilingue! Das ist auch unsere Rolle in der Eidgenossenschaft. Wir, Bernerinnen und Berner, kennen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten wohl besser als alle anderen. Die Sprachenvielfalt ist unser Trumpf. Und die Brücke zu schlagen, ist unsere Aufgabe fürs ganze Land.
Man muss sich aber dafür auch befähigen. Jeder Politik-Bereich braucht Pflege, sonst verkümmert er. Das gilt auch für die Zweisprachigkeit. Selbst im Kanton Bern glauben zu viele, dass die Zweisprachigkeit einfach passiert, einfach da ist, einfach funktioniert. Dabei verliert der Kanton Bern ohne Einsatz Tag für Tag einen Teil seines Selbstverständnisses. Die Zweisprachigkeit braucht Unterstützung. Und hier können wir besser werden. Die kürzlichen Beschlüsse unseres Regierungsrates machen Mut. Aber wir müssen noch einiges aufholen. So hat der kürzlich veröffentlichte Kantonsvergleich der Schulausbildung leider gezeigt, dass die Schülerinnen und Schüler der beiden anderen zweisprachigen Kantone Freiburg und Wallis in den Sprachfähigkeiten besser abschneiden als der Kanton Bern.
Wir müssen an die Arbeit. Wir von BERNbilingue setzen uns gerne für diese Zweisprachigkeit ein. Die Gründer von BERNbilingue legten ihren Fokus zuerst auf den ganzen Jura, dann auf den Berner Jura. Wir setzen dies fort. Wir dehnen aber unsere Tätigkeiten aus. Wir setzen uns heute mehr als früher für die Zweisprachigkeit im ganzen Kanton ein und legen einen Schwerpunkt natürlich auf die Bildung. Das ganze Gestürm um Moutier wird dann ein Ende finden, wenn der Kanton die Zweisprachigkeit auch wirklich lebt.
Alexandre Schmidt, Präsident BERNbilingue